Die Idee der weltanschaulichen Freiheit


Humanismus no image

Veröffentlicht am Oktober 1st, 2012 | von Redaktion Berlin

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Ein Gastartikel von André Buttler

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Wie gelangen wir auf diese Welt?

Die Antwort ist einfach: Neutral. Das heißt, dass wir zu Beginn unseres Lebens keine politische Einstellung haben, keine Weltanschauung vertreten, keiner Religion angehören und keine Lieblingsband haben. Im Gegenteil: Unsere Existenz beginnt mit purem Zwang, denn wir haben keinerlei Einfluss darauf, in welche Gesellschaft wir hineingeboren werden, in welches Land, in was für eine Familie oder ob wir denn überhaupt existieren möchten. Auch dass wir im Laufe unseres Lebens grade zu gezwungen werden, Positionen einzunehmen, vermag wenig mit Freiheit zu tun zu haben. Wir werden von unserer Umwelt geprägt. Früher war dieser Einflussbereich auf das Individuum eher klein. Da gab es die Familie, Freunde, Schule; aber im Jahr 2012 – in einer Zeit, in der wir nicht nur den Meinungen und Ansichten unseres engeren Umfeldes ausgesetzt sind, sondern (dank Internet und Co.) einer ganzen Bandbreite von Standpunkten – kann sich jeder sein eigenes Weltbild zusammen stellen, variieren, wieder verwerfen und sich eines Besseren belehren. Welch´ intellektuelle Bereicherung das wäre, würde nicht alte Traditionen und Riten dem entgegen wirken.

Es ist gängige Praxis, dass Eltern ihre Kinder beispielsweise taufen oder beschneiden lassen und somit ihrem Kind die Möglichkeit nehmen, seine eigenen weltanschaulichen Ansichten zu entwickeln. Stattdessen werden den Kindern Lehren und Welterklärungsmodelle eingetrichtert, die in nur wenigen Punkten mit den modern Erkenntnissen und Normen unserer Zeit übereinstimmen und sich mehr auf Überlieferungen stützen, als auf ein vernünftiges Denken. Jetzt mag man natürlich dem entgegensetzten, dass es doch auch für die individuelle Entwicklung und das familiäre Zusammenleben eines Kindes gut ist, wenn die Familie einen einheitlichen Glauben hat und schließlich könne das Kind ja auch irgendwann aus der Kirche austreten, wenn es denn möchte. Das mag ja in keiner Weise zu leugnen sein, aber das sollte nicht zur Konsequenz haben, dass unmündige grundlos Mitglied einer Glaubensgemeinschaft werden. Auch würde nie jemand, sein Kind in einer Partei anmelden, nur weil er selbst auch Mitglied dieser Partei ist. Warum? Ein kleines Kind hat weder den Erfahrungsschatz noch die nötige Reife, um sich eine politische Meinung bilden zu können. Gleiches gilt auch für die Frage der Religionswahl. Den christlichen Kirchen mag es zwar Recht sein, weitere Kirchensteuerzahler dazu zu gewinnen, jedoch unterstehen auch Religionsgemeinschaft in erster Linie dem weltlichen Recht (zumindest sollte es so sein!).

Und jede Religionsgemeinschaft, die unmündige Kinder tauft, beschneidet oder sonstige Aufnahmeriten an ihnen durchführt, missachtet ein wesentliches Grundrecht: Die Religionsfreiheit. Sie beinhaltet nicht nur das Recht, seine Religion frei und ohne Zwang zu wählen, sondern auch frei von Religion zu sein und sich anderen Weltanschauungs- und -erklärungsmodellen zu verschreiben. Und dieses Recht gilt auch für Kinder. Das heißt natürlich nicht, dass eine Familie ihr Kind nicht mit christlichen, muslimischen, jüdischen oder buddhistischen Werten erziehen darf, es bedeutet nur, dass das Kind die Möglichkeit hat, sich erst mit den entsprechenden Lehren auseinander zu setzten und dann entscheiden kann, ob es dieser Gemeinschaft angehören will oder nicht. Es sollte den Religionsgemeinschaft ja auch entgegen kommen, wenn ihre Mitglieder nicht aus blinder Tradition Mitglied werden, sondern aus Überzeugung.

Bleibt noch die Frage, wie wir als Gesellschaft, die die geistige Freiheit eines Jeden fördern sollte, die Idee einer weltanschaulichen Freiheit verwirklichen können. Dazu müssen wir vor allem von der Mentalität wegkommen, Dinge zu tun, bloß weil man sie schon immer gemacht hat. Umfragen zeigen, dass viele Menschen Mitglied einer Religionsgemeinschaft sind, obwohl sie sich keineswegs mit den Ansichten „ihrer“ Kirche identifizieren können und nur Mitglied (und im christlichen Falle fleißige Kirchensteuerzahler) sind, weil sie als Baby irgendwann einmal getauft wurden. Noch drastischer sind die Folgen einer Beschneidung und im Gegensatz zur christlichen Taufen, lässt sich eine Beschneidung auch nicht rückgängig machen. Der Mensch wird mit nicht vielen Freiheit über sein Dasein geboren, jedoch sollte man ihm die Freiheiten lassen, die ihn dazu befähigen, ein selbstständig denkendes Individuum zu werden.

Unser Gastautor André Buttler ist Komponist, Musiker sowie Autor und seit 2011 Mitglied im Förderkreis der Giordano Bruno Stiftung (gbs).

 

 

 

 

 

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