Missbrauch: Es war der Herr Kardinal, der gesagt hat: „Bitte machen Sie mir das.“
Veröffentlicht am März 3rd, 2013 | von Humanist News
0Wien. (HN, Dietmar Schoder) Im April 2010 war die Kommission fertig zusammengestellt: sie sollte sich mit den kirchlichen Missbrauchsfällen in Österreich befassen. Die Erwartungen der Kommissionsmitglieder waren damals sehr gemischt, und – aus heutiger Sicht – offenbar auch extrem naiv. Man wollte „rasch und unbürokratisch helfen“, für „klare, individuelle Entschuldigungen“ und „Entschädigungen“ sorgen, sei nicht von der Kirche „ferngesteuert“, und wollte z.B. „Strukturen ins Blickfeld rücken“, welche den Missbrauch gefördert hätten.
Die Öffentlichkeit war beruhigt. Und kaum jemand hinterfragte, dass diese Kommission in der Tat von der Kirche selbst eingesetzt werden war: die Kommission konnte sich ernsthaft „unabhängige Opferschutzanwaltschaft“ nennen. Noch im Juli 2011 antwortete Frau Klasnic auf die Feststellung: „Sie sind doch von der Kirche eingesetzt.“ mit dem Satz: „Ich bin weder von der Kirche eingesetzt noch sonst was.“
Erst Anfang 2013 wurde (nach einer Beschwerde bei der Datenschutzkommission) amtlich bestätigt: die Klasnic Kommission ist Teil der Erzdiözese Wien. Noch kirchennäher kann eine österr. Kommission gar nicht sein.
Nun fand am 26.2.2013 ein umstrittenes Symposium statt, bei dem die Ergebnisse der bisherigen Kommissionsarbeit präsentiert wurden. In ihrer einleitenden Rede bestätigte die „Opferschutzanwältin“ Waltraud Klasnic die schlimmsten Befürchtungen der Betroffenen: Klasnic hätte über die Grauenhaftigkeit der geschehenen Verbrechen sprechen müssen. Aber sie sprach nur über sich selbst. Sie hätte dem allgemeinen Wunsch nach Gerechtigkeit entsprechen müssen. Aber sie erging sich bloß in Selbstgerechtigkeit.
Hier die Rede im Wortlaut:
Diese Tagung, nennt sich: „Prävention von Missbrauch und Gewalt, ein gesamtgesellschaftliches Anliegen“. Das heißt nicht, das Anliegen von irgendjemandem, sondern ein Anliegen von uns allen, von Österreicherinnen und Österreichern. Und aus diesem Grund war es für uns auch ganz wichtig, dieses Symposium, dieses miteinander reden, und das Aufzeigen für die Zukunft, welche Maßnahmen gesetzt werden müssen, durchzutragen. Es gab eine Entscheidung, und die Entscheidung hat gelautet, am vergangenen Donnerstag, dass wir im Parlament diese Tagung nicht durchführen können. Wir haben Entscheidungen zur Kenntnis zu nehmen, jeder, der eine Entscheidung trifft, und auch jede, auch die Frau Präsidentin, wird einen Grund gehabt haben. Ein zweites muss ich dazu sagen: ich bin sehr dafür und bedanke mich bei den Organisationen, die immer sagen, sie sind für die Opfer da und sie vertreten die Anliegen der Opfer. Aber wenn ich die Anliegen der Opfer wirklich vertreten muss und möchte, dann muss ich dafür sorgen, dass diese Anliegen auch öffentlich gemacht werden. Das vorgesorgt wird, dass Prävention passiert, und dass man auch sagen kann, was in den letzten Jahren geschehen ist. Es war nicht immer so, dass man reden konnte, dass man sich hinstellen konnte und sagen, das ist mir geschehen, dass einem jemand zugehört hat, dass die Würde des Menschen gewahrt wurde, dass Zeit geschenkt wurde, dass man einfach da gewesen ist für den einzelnen und die einzelne. Das ist, was mich kränkt, und ich bin nicht gelassen, ich bin betroffen. Dass es dann gelingt, einem Referenten aus der Bundesrepublik Deutschland, der seine Situation in seinem Land wahrscheinlich besonders gut kennt, und meint, bei uns läuft das gleich, dass ich dann gestern am späten Nachmittag die Absage bekommen habe. Auch das nehme ich zur Kenntnis; sage aber dazu: Österreich ist anders. Bei uns ist etwas geschehen. Bei uns ist etwas geschehen. Und dazu kann man nur sagen, und ich sage das aus voller Überzeugung, für die Damen und Herren der Kommission, die sich ehrenamtlich einsetzen, und seit drei Jahren unendlich viel leisten, unabhängig sind, und nie gefragt haben, wer kommt woher, sondern gesagt haben, wer braucht welche Hilfe.
Ich bedanke mich bei den Mitarbeiterinnen im Büro, für sie ist es auch nicht einfach gewesen. Und ich sage im weiteren dazu, es ist überhaupt die Möglichkeit gegeben worden, österreichweit eine solche Arbeit zu leisten, indem ich eingeladen wurde, Opferschutzanwältin zu sein – aber dann eine Kommission einladen konnte, ohne Rücksprache, ohne Rücksprache, ohne Vorgabe, mit einem vollen Vertrauen ausgestattet. Dieses Vertrauen hat diese Kommission und alle, die mir helfen, gerechtfertigt, inklusive der Stiftung und dem Kuratorium, das ich auch erwähnen möchte, weil das auch nicht selbstverständlich ist. Dieser Raum hier, und wir haben ihn, wir sind froh hier, und wir werden miteinander reden – und ich möchte jene Damen und Herren, die auf der einen Seite Hilfestellung geben, und derer sind viele hier, aber auch jene, die Betroffen sind, und wir haben niemandem gesagt, dass er nicht hereindarf, bei den Wortmeldungen dann die Chance geben, sich zu melden.
Es ist das ein ganz besonderer Raum, wir brauchen uns dafür nicht genieren, es ist der Raum, in dem eigentlich die Abschlussverhandlungen für den Staatsvertrag im Jahre 1955 geführt wurden. Da fällt mir gerade ein, der Großteil jener, die zu uns kommen, sind Menschen die sagen, in den 50er und in den 60er-Jahren, das waren die Kinder von damals, und für diese Kinder von damals arbeiten wir. Für die fühlen wir uns verantwortlich, die sind uns ein Auftrag. Ich möchte sie alle begrüßen und komme mit einer namentlichen Begrüßung nicht zurecht. Aber es sind Repräsentanten der Zivilgesellschaft, von Opferschutz- und Kinderschutzeinrichtungen, Vertreter der Bundes- und Landesstellen, Vertreter der Kirche, wobei mir auch wieder jemand mitgeteilt hat, das ist ja im Grunde genommen eine Veranstaltung der Kirche: es ist eine Veranstaltung von uns, eine Veranstaltung für die Gesellschaft, und in dieser Gesellschaft ist auch Kirche enthalten, und dazu und zu dieser Haltung müssen wir uns bekennen. Es sind Psychologinnen und Psychologen eingeladen, die viele dieser Opfer begleitet haben in den Clearingstunden, Juristinnen und Juristen, Richter, Vertreter der Medien, danke, dass sie da sind. Was immer sie berichten, ich sage Ihnen: wir sind stolz auf das, was wir getan haben, und dann schreiben Sie und senden Sie, was sie wollen – ich kann es mit unserem Gewissen, und das sage ich für die ganze Kommission, in Ruhe vereinbaren. Wir haben gearbeitet, wir haben getan, was wir konnten, wir sind an die Grenzen unserer Möglichkeit gegangen. Das muss auch irgendwann gesagt werden.
Der Bewusstseinswandel hat sich auch durchgesetzt. Wenn Sie denken, Österreich vor drei Jahren, und heute. Wie geht man mit der Situation um, wie werden Opfer angesprochen, und wie redet man über das Thema. Und es ist selbstverständlich, dass es kritische und unabhängige Menschen geben muss, und das ist auch gut. Aber genauso muss man sagen, haben viele bis zu diesem Zeitpunkt vor drei Jahren nicht die Möglichkeit gehabt, sich wo hin zu wenden, wo sie auch das Gefühl hatten, unter Umständen kommt auf der einen Seite eine finanzielle Unterstützung und Hilfe, auf der anderen Seite kommt Therapie. Das wird heute noch genannt werden. Aber ich nehme jetzt nur einmal die Therapie: 34.000 Stunden. Denken Sie einmal über das nach, das wurde in den letzten drei Jahren sozusagen zugeordnet, zugegeben, noch nicht konsumiert, weil das ja auch eine Zeit braucht, aber das ist echte Hilfe am Menschen, das ist Verantwortung für den Menschen. Und ich betone und sage das sehr deutlich, weil es immer so heißt, ja das war der Kardinal, der Sie eingesetzt hat, weil Sie von der Kirche kommen. Ja, es war der Herr Kardinal, der gesagt hat: „Bitte machen Sie mir das.“ Und ich habe in zehn Minuten „Ja“ gesagt, und es ist gut gewesen. Gut für dieses Österreich, weil in der Folge, das war im März bzw. im April, in der Folge haben sich im August schon die Bundeskommission und die ersten Landeskommissionen zu bilden. D.h., das ist aufgebrochen, da hat sich etwas bewegt in Österreich, und alle diese Kommissionen arbeiten nach dem Schema und nach den Vorgaben, die sich unsere Kommission gegeben hat.
Ich kann nicht oft genug sagen, dass ich stolz bin, und vor allem auch dankbar, wenn man vergleicht, und Sie werden das heute noch hören, wie es bei uns ist, und wie die Stimmung im Nachbarland zum Thema gehandlet wird, dann sage ich, dass wir nicht nur österreichweit, sondern dass wir international Vorbild sind. Das war es, das ist es, und da werden wir auch weiterarbeiten.
Bei uns gibt es eine unabhängige, wissenschaftliche Studie, die fertig ist, und Frau Prof. Lueger-Schuster wird in Kürze hier stehen und wird sie uns vorstellen. Da wurde niemand gehindert, da wurde offen gearbeitet, aber zuerst wurden die betroffenen Opfer gefragt, ob sie auch einverstanden sind, dass eine Studie mit und über ihre Daten angefertigt wird. Ich sage aber auch gleich dazu, gezahlt und unterstützt wurde diese Studie vom Fond der Nationalbank. Weil ich immer nur lese, welche Organisation und welche Gemeinschaft wir sind. Es hat eine Zeit gegeben, wo alles im geschlossenen Kreis abgelaufen ist, und wo man gesagt hat, da schauen wir nicht hin und da reden wir nicht drüber. Inzwischen hat sich doch einiges geändert: Verjährungsfristen, die Strafen sind angesprochen, Verfolgung des Missbrauchs im Interesse der Opfer, Missbrauch und Gewalt in allen Bereichen der Gesellschaft, und ich sage bewusst dazu, in allen Bereichen der Gesellschaft, und wenn ich dann im Vorjahr im Sommer die Zeitungen aufgeschlagen habe, und gelesen habe, dass in dem einen oder anderen Haus es 700 Meldungen gibt, dann habe ich gewusst, was es bedeutet. Weil wir haben in dieser Erstphase an die 1000 bekommen. Die Zahlen werden bekannt gegeben.
Was wollen wir heute erreichen? Opferschutz, finanzielle und therapeutische Hilfestellung, und vor allem Bewusstseinsbildung muss als Prävention eine Daueraufgabe sein; nicht für die Vergangenheit, sondern für die Zukunft. Eine Daueraufgabe als gesamtgesellschaftliches Anliegen. Und ich möchte jede einzelne und jeden einzelnen bitten, Sie wären nicht hier, wenn Sie nicht dazu in der Lage wären und das wollen, dass Sie Zivilcourage zeigen, dass Sie helfen und dass Sie aufzeigen. Es passiert in der Gesellschaft, in den Familien, in den zivilgesellschaftlichen Einrichtungen ebenso, in den Sportvereinen, Pflegeheimen, den Gefängnissen, den verschiedensten Gebietskörperschaften, usw.
Unser Anliegen ist die Anerkennung und vor allem auch die wirksame Hilfe für jene, die Opfer sind. Und aus diesem Grund, und Sie werden es da noch einmal hören, und zwar im Detail, fordern wir die Installierung einer gesamtösterreichischen Präventionsplattform. Wir haben das schon vor über einem Jahr laut gesagt, und wir haben dann auch gemerkt, dass sich einiges bewegt. In zwei Tagen wird aus der Sicht der Länder eine Arbeitsgruppe tagen, die zusammengerufen wird. Wir haben mit diesen Ländergruppen schon Kontakt gehabt und einige Vernetzungstreffen durchgeführt. Es hat einen Ministerratsbeschluss gegeben, auch um die Vernetzung nachhaltiger Aktivität. Ich bin überzeugt, dass dieses heutige Symposium ein starkes Signal sein wird, aber ich sage bewusst, auch sein muss. Als Daueraufgabe Opferschutz und Prävention im Bewusstsein der Menschen zu festigen und zu stärken. Es wird einige konkrete Schlussfolgerungen geben, wir werden Platz für Diskussion haben, aber mein Part ist momentan zu Ende.
Zum Abschluss möchte ich noch eines sagen. Es hat unendlich viele Menschen gegeben, die gesagt haben: „Warum tust du, warum tut ihr euch das an?“ Wir tun es uns an aus vollem Herzen und aus Überzeugung, weil wir die Pflicht haben, dem, der uns braucht, nahe zu sein und beizustehen und ihn in seiner Würde zu stärken.
Das habe ich bisher getan, und das gilt auch für die Zukunft.