Respekt gegenüber einer Religion?
Veröffentlicht am Mai 22nd, 2013 | von Humanist News
, Gastartikel. (Heiko Heinisch) Immer wieder hört und liest man die Forderung nach „Respekt für den Islam“. Einzelne Muslime erheben diesen Anspruch in Foren, muslimische Vereine und Verbände oder Politiker weisen wiederholt darauf hin. [1]
In einem Artikel vom Februar 2013 auf der Seite des Zentralrats der Muslime in Deutschland heißt es: „Mangelnder Respekt vor dem fremden Glauben sollte die gleichen Folgen nach sich ziehen wie Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe oder Geschlecht.“ Auch in Europa gibt es einige Journalisten und Politiker, die sich diesem Sprachgebrauch anschließen. So etwa der deutsche Außenminister Guido Westerwelle, als er nach dem Tod Osama Bin Ladens 2011 befand, es gelte religiöse Kulturen zu achten und den Islam zu respektieren. Ist mangelnder Respekt vor einem Glauben das Gleiche wie die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Religion oder Hautfarbe?
Respekt bezeichnet gemeinhin „eine Form der Wertschätzung, Aufmerksamkeit und Ehrerbietung einem anderen Lebewesen oder einer Institution“ gegenüber – so Wikipedia. Im Bedeutungswörterbuch des Duden heißt es: „besonders auf Anerkennung, Bewunderung o.ä. beruhende oder auch durch eine gewisse Scheu, ein Eingeschüchtertsein (gegenüber einem Übergeordneten o.ä.) geprägte Achtung“.[2] Respekt empfindet man also gegenüber einem Menschen, den man achtet oder auch fürchtet, dem man aber in jedem Fall Anerkennung und Wertschätzung entgegenbringt. Auch einer Institution, deren Autorität man anerkennt, also etwa dem Parlament oder einem Gericht, zollt man Respekt. Im Zusammenhang mit Religionen oder Weltanschauungen wird der Begriff demnach missverständlich, wenn nicht sogar missbräuchlich verwendet. Religionen provozieren naturgemäß neben Achtung, Wertschätzung und Anerkennung (durch die Gläubigen oder Anhänger) auch Widerspruch und Ablehnung.
In einer pluralistischen Gesellschaft, in der die Menschen den verschiedensten Religionen und Weltanschauungen anhängen oder auch nicht, können die Gläubigen einer bestimmten Religion keinesfalls besondere Anerkennung oder Wertschätzung ausgerechnet ihrer Religion durch den Rest der Gesellschaft erwarten. Vielmehr müssen sie damit rechnen, dass ihr Glauben von anderen abgelehnt wird. Eine pluralistische Gesellschaft basiert auf dem Konsens, dass alle Meinungen, Ansichten und Glaubensbekenntnisse, so lange sie nicht die Freiheit anderer bekämpfen, die gleiche Berechtigung haben, sich in der Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen. So, wie ein Christ das Recht hat zu glauben und zu behaupten, Jesus sei der Sohn Gottes; oder ein Muslim das Recht hat, Mohammed den Propheten Gottes zu nennen, genauso hat der Atheist, der bekanntlich nicht an Gott glaubt, das Recht, beides öffentlich zu verneinen. Einem Glauben Respekt entgegenzubringen hieße, ihn auch inhaltlich anzuerkennen, was dem Atheisten (aber auch dem Andersgläubigen) nicht möglich ist. Er missachtet den Glauben der Anderen und kann ihm ergo nicht gleichzeitig Respekt entgegenbringen. Was er aber genau wie jeder Gläubige respektieren muss – und da sind wir wieder beim Grundkonsens der pluralistischen Gesellschaft – ist die Anwesenheit Anders- bzw. Nichtgläubiger. Er muss respektieren, dass es Andere gibt und dass diese Anderen Glaubens-und Denkvorstellungen folgen, die von den seinen völlig verschieden sind, und dass sie dazu jedes Recht haben. Kurz: Er muss dem einzelnen Menschen – ob gläubig oder nicht – mit Respekt begegnen. Frei nach Voltaire könnte man sagen: „Ich verabscheue Ihren Glauben, aber ich werde jederzeit Ihr Recht verteidigen, diesen Glauben in unserer Gesellschaft frei, ungestört und öffentlich auszuüben.“
[1] So sprach der iranische konservative Politiker Amir Mohebian 2001 in einem Interview davon, die Reformer, aber auch Präsident Chatami würden der Religion zu wenig Respekt zollen.
[2] Duden, Band 10, Bedeutungswörterbuch, Mannheim, Wien, Zürich, 2. Aufl. 1985, „Respekt“.