Plädoyer für eine naturalistische Deutung der Welt
Veröffentlicht am März 3rd, 2013 | von Humanist News
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Man mag es kaum für möglich halten, aber selbst im 21. Jahrhundert kursieren immer noch Ansichten, die der wissenschaftliche Fortschritt schon längst überholt hat. So halten wir doch allen Ernstes die Welt, in der wir leben, für eine maßgeschneiderte Kreation und uns für die absolute Krone dieser Schöpfung. Wir meinen, dass Homosexualität unnatürlich sei, dass uns nach unserem Ableben ein „Leben nach dem Tod“ erwartet oder dass ein barmherziger „Gott“ uns in jeder Lebenskrise beiseite steht. Alles Behauptungen, die mit unseren modernen Erkenntnissen über die Welt in keiner Weise vereinbar sind. Aber warum halten wir an diesen Mythen fest, wenn wir es eigentlich besser wissen müssten? Wohl weil sie uns das einfachere und verständlichere Weltbild liefern, weil sie die Illusion einer „schönen Welt“ aufrechterhalten oder weil wir durch sie unsere vermeintliche Überlegenheit über die Natur rechtfertigen können. Es ist halt wesentlich einfacher, ein bereits vorhandenes Weltbild zu übernehmen, als dieses einer kritisch rationalen Überprüfung zu unterziehen. Jedoch wird unsere ach so intelligente und erhabene Spezies so ihrem Anspruch auf eine Sonderstellung auf diesem Planten wohl kaum gerecht.
Denn wir müssen uns bewusst werden, dass wir einen fatalen Denkfehler begehen: Wir blenden nämlich die real existierende Welt aus und ersetzen sie durch eine imaginäre, von weltanschaulichen Ideologien bestimmten Welt. Während sich die Wahrnehmung der ersteren auf Grund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse in einem stetigen Wandel befindet, hält letztere an subjektiven Eindrücken fest und diese subjektiven Eindrücke entsprechen nicht dem wissenschaftlichen Standard, der darum bemüht ist, Erkenntnisse über die Welt nicht von Einzeleindrücken, sondern von empirischen Untersuchungen abhängig zu machen. Erheben wir die Subjektivität unserer Eindrücke – z. B. dass sie Perfektion der Natur doch nur auf einen göttlichen Schöpfer schließen lasse – zur objektiven Wahrheit, machen wir die wissenschaftliche Methodik überflüssig. Jedoch war es eben diese wissenschaftliche Methodik, die unsere Spezies zu dem gemacht hat, was sie heute ist. Hätten wir nicht stets versucht, unser Weltbild an unser Wissen anzupassen, wäre unsere kulturelle Evolution schon vor langer Zeit stehen geblieben. Mensch sei Dank gab es in der Geschichte unserer Art immer wieder Denker, die diese Evolution angetrieben haben.
Wir werden wohl die Welt an sich niemals ganz begreifen können. Die Vergänglichkeit unserer Art und ihre Unbedeutsamkeit im Vergleich zu den – im wahrsten Sinne des Wortes – komischen Dimensionen des Universums werden es uns mit Sicherheit nie begreifen lassen, was die Welt im Innersten zusammen hält. Und gerade da, wo die Wissenschaft zu enden scheint, breiten sich Aberglaube, Mythen und Legenden aus. Sie nehmen die Unwissenheit der Wissenden zum Anlass, selbst zu behaupten, im Besitze der absoluten Wahrheit zu sein. Denn: Wenn die Wissenschaft es nicht erklären kann, so kann es doch nur „Gott“ gewesen sein! Aus diesem blinden Aberglauben (man hält an einer Hypothese fest, nur weil das Gegenteil nicht bewiesen werden kann) ergeben sich zahlreiche fatale Konsequenzen. Wir machen es nur unnötig schwerer, wenn wir die Realität nach unseren Vorstellungen formen. Ebenso wie ein Reisender, der versucht, sich in einer Stadt mit Hilfe einer Karte zu Recht zu finden, die nicht den genauen Plan der Stadt wiedergibt, sondern aus Einzeleindrucken des Reisenden zusammengestellt wurde. So werden auch wir Probleme haben, uns in unserer „Stadt“ zu Recht zu finden. Grade die komplexen Herausforderungen unserer Zeit verlangen nach Denkmustern, die bereit sind, Überholtes zurück zu lassen. Denn die Ernennung der Subjektivität zur realen Wahrheit bedeutet, dass Lösungsansätze, die daraus resultieren werden, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlich mit der tatsächlichen Welt nicht vereinbar sind und so nicht zu einer langfristigen Lösung eines Problems führen, sondern die Situation unter Umständen weiter verschlimmern. Wir werden uns in der Stadt verlaufen, wenn wir uns nicht darum bemühen, einen exakten Plan der Stadt zu entwerfen. Eine wissenschaftliche Vorgehensweise bei der Erschließung der Welt fordert notwendigerweise die Fähigkeit eigene Irrtümer zu erkennen und sie durch bessere Argumente und Thesen zu ersetzen.
Die Welt naturalistisch begreifen heißt, sich besser in ihr zu Recht zu finden!
Wir müssen uns also abwenden von den ewigen Wahrheiten, die uns vor allem die Religionen vorlegen. Wir müssen kritisch und rational hinterfragen (Und das gilt ebenso für die Thesen und Argumente dieses Textes!). Wir dürfen nicht auf Grund unseres Stolzes Irrtümer totschweigen. Wir müssen Platz machen für bessere Argumente und Thesen. So können wir nicht nur mehr über die Welt, in der wir leben, erfahren, sondern auch für selbst ein besseres Dasein in und mit dieser Welt garantieren.