Nicht alles was immer schon so war, muss es auch auf ewig bleiben
Veröffentlicht am Juli 28th, 2012 | von Cahit Kaya
0Vieles ist auch heute so, weil es immer schon so war. Dann formieren sich erste Widerstände und Menschen tun sich zusammen, um Tradition mit der modernen Gesellschaft zu versöhnen und nutzlose oder mittlerweile schädliche Rituale mit weniger schädlicheren zu ersetzen. Diesem steten Wandel und dem Kampf anfänglich kleiner Gruppen gegen diesen Traditionalismus ist es zu verdanken, dass sich die Welt, wenn auch langsam, dennoch zu einem immer angenehmeren Ort werden lässt.
Traditionalisten: “Weil es immer schon so war”
Da war zum einen die Gewalt an Kindern, die Erziehung genannt wurde. Die “gesunde Watsche” soll noch niemandem geschadet haben. In streng religiösen christlichen Gemeinden kommt diese Form der Züchtigung der Kinder wieder in Mode, um die Kinder vor der moralisch angeblich so verwerflichen Gesellschaft der Moderne zu “schützen”. Die Bibel sagt dazu: „Entziehe dem Knaben nicht die Züchtigung; wenn du ihn mit der Rute schlägst, wird er nicht sterben. Du schlägst ihn mit der Rute, und du errettest seine Seele von dem Scheol.”
Selbst Kärntens Landeshauptmann Dörfler (Freiheitliche Kärnten) meinte unlängst, die “gesunde Watsche” hätte ihm nicht geschadet. Wer ihn samt vieler seiner bisherigen Aussagen und Taten kennt, muss dem vehement widersprechen.
Auch die Vergewaltigung, oder Nötigung zur sexuellen Handlung innerhalb der Ehe, ist noch nicht so lange als Offizialdelikt zur strafbaren Handlung geworden. Und wer hat sich lange Zeit dagegen gewehrt und immer wieder dieses Gesetz behindert? Richtig. Es waren erzkonservative Traditionalisten, oftmals mit religiösem Hintergrund. Nämlich die “christlich Konservativen”.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) führte Homosexualität bis 1992 als Krankheit. Erst in ihren Veröffentlichungen danach erscheint die Homosexualität nicht mehr als Krankheit. In den meisten Ländern Europas ist die Akzeptanz von Homosexualität sehr hoch. Und wer bezeichnet Homosexualität nach wie vor als “heilbare Krankheit”? Richtig. Traditionalisten “mit Religionshintergrund”.
Aus Brit Milah wird Brit Shalom
Die Knabenbeschneidung der Juden ist davon nicht ausgenommen. Bereits 1998 landete der Fall in Israel (!) vor dem obersten Gericht. Die Aussage des Richters darf uns erstaunen, ist sie exakt die selbe, wie sie Deutschlands Kanzlerin Merkel vor einiger Zeit wiederholte. Es hieß damals, Israel könne nicht das einzige Land auf der Erde sein, das diese(s) Tradition blutige Ritual abschafft. Die Argumente der jüdischen Aktivisten ist den heutigen sehr ähnlich. Das Kind vor unnötigem Schmerz bewahren und das Risiko posttraumatischer Belastungsstörungen vermeiden. Nicht in jedem Fall kommt es während der Beschneidung zu Komplikationen. Aber es kommt immer wieder zu Komplikationen. Moderne medizinische Verfahren können das Risiko zwar minimieren, aber niemals zur Gänze beseitigen. Das Ersatzritual der Brit Milah, welches die jüdischen Aktivisten demnach vorschlagen, ist die Brit Shalom. Eine symbolische Beschneidung die ohne Eingriff in die Genitalien auskommt.
Freiwillige Modernisierung von Innen
Wie einst die “gesunde Watsche”, das “Recht” seine Frau zu Sex zu nötigen oder zu züchtigen, die Diskriminierung der Homosexuellen lange Zeit als normal galt und endlich (fast) überwunden ist, so könnte auch diese neue Zeremonie das Judentum reformieren, ohne seine Existenz zu bedrohen. Es würde sogar die antisemitischen Ritualmord-Legenden ein für alle mal beseitigen und das Judentum besser vor weltverschwörerischen Angriffen schützen.
Jeder Junge muslimischer Eltern wird von alleine zum Mann
Was dann noch als weiterer notwendiger Schritt dieses Modernisierungsprozesses der Religionen fehlt, ist die Einsicht vieler Muslime, dass ein Junge muslimischer Eltern auch ganz von alleine zum Mann werden kann. Ohne medizinisch unnötigen Eingriff und ohne ihn im Kindesalter rituell zum Prinzen zu küren. Und wenn der Islam dem Jungen in älteren Jahren die Identität verleihen kann, die der junge Mann sucht, dann wird dieser sich auch ohne die Markierung seines Penisses frei zum Islam entscheiden. Das wäre echte Religionsfreiheit – wenn ein Mensch sich ganz freiwillig für eine Religion, die ihm als geeignet erscheint, entscheidet. Und dabei noch einen selbskritischen Geist entwickelt, um für ihn richtige Entscheidungen zu treffen, ohne seine Religion auf dem Rücken und dem Schoß seiner eigenen Kinder zu praktizieren. All die Reformer würden sich durchaus auf ein Gesetz freuen, dass die Beschneidung soweit aufschiebt, um den modernen Kräften innerhalb der Religion endlich auch rechtlich die Chance zu geben, ihrer Religion einen modernen Anstrich zu verpassen.