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Istanbul: dritte Bosporus-Brücke soll Namen eines Massenmörders erhalten


Gesellschaft bosporus-ausblick

Veröffentlicht am Juni 6th, 2013 | von Humanist News

 

6.6.2013, Wien/Istanbul. (HN) Im Zuge der Proteste in der Türkei rückt nun ein weiterer Streit in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Die gerade im Bau befindliche dritte Bosporus-Brücke soll ausgerechnet den Namen eines osmanischen Herrschers erhalten, der über 40.000 Aleviten ermorden ließ. Geplantes Bauende ist der 29. Mai 2015 – der Jahrestag der Eroberung Konstantinopels.

Umbenennung gefordert

Besonders alevitische Protestierer und Medien fordern eine Umbenennung, der sich seit 29. Mai 2013 im Bau befindenden dritten Bosporus-Brücke. Diese soll den Namen eines osmanischen Herrschers erhalten, der vor allem durch Verfolgung und Massenmorden an Aleviten zu fragwürdiger Bekanntheit gelangte. Besagter osmanischer Herrscher war Selim I., oder auch Yavuz Sultan Selim.

Krieg gegen Andersgläubige

Der strenggläubige Sunnit Selim I. führte den harten Kurs seines Vaters Bayezid II. fort, welcher Andersgläubige (besonders Schiiten und Aleviten) als Ungläubige verfolgen ließ. So ließ er die alevitischen Qizilbāsch mit der Begrünung, dass es sich bei ihnen um Häretiker, also Ungläubige handle aus Anatolien in die eroberten griechischen Gebiete deportieren. Nachdem Selim I. seinen Vater vom Thron putschte und alle seine Brüder ermorden ließ (um Erbstreitigkeiten zu beseitigen), verschärfte dieser in seiner Herrschaftszeit von 1512 bis 1520 die kriegerischen Handlungen gegenüber der alevitischen Qizilbāsch.

Ermordung von 40.000 Aleviten

Während er eine Armee zusammen stellte, um Krieg gegen die schiitischen Safawiden in Persien zu führen, ordnete er an, eine Liste aller Aleviten zu erstellen, welche auf dem Weg nach Persien ermordet werden sollten. So wurde dokumentiert, dass auf diese Art über 40.000 alevitische Qizilbāsch von Selims Truppen ermordet worden waren. Diese Morde ließ sich der strenggläubige Selim I. per Fatwa legitimieren.

Sivas-Massaker

Die Unterdrückung der Aleviten hält bis heute an. Zuletzt wurden 1993 während eines alevitischen Festivals in Sivas 37 Menschen von einem islamistischen Mob ermordet, während das Hotel, in dem das Festival stattfinden sollte angezündet wurde. Die Polizei und das Militär schauten die meiste Zeit tatenlos zu. Erst als das Hotel bereits brannte rückte eine kleine Einheit der Armee an, um die Überlebenden mit Leitern aus den Fenstern zu retten.

Unterschriftenaktion gestartet

So rief etwa der in türkischer Sprache sendende alevitische Sender Cem TV dazu auf, eine Petition zu unterzeichnen, die auf der Nachrichtenplattform HaberCem.com des Senders zu finden ist. Der vorgefertigte Text ist als Brief an den türkischen Premier Recep Tayyip Erdogan verfasst.

Darin wird gefordert, den geplanten Namen Yavuz-Sultan-Selim-Brücke zu überdenken und stattdessen den Namen Yunus Emre, ein mystischer Volksdichter (er starb Anfang des 14. Jahrhunderts) zu verwenden.

Der Name der Brücke solle nicht Hass, sondern Liebe ausdrücken. Yunus Emre hat für viele Aleviten eine sehr große Bedeutung. Ihm wird nachgesagt, das Alevitentum maßgeblich beeinflusst zu haben.

Links:
Unterschriftenaktion auf HaberCem.com
Alevitenverfolgung im osmanischen Reich

Die alevitischen Qizilbasch
Das Sivas-Massaker
Yunus Emre

 

Tags: Aleviten, Bosporus, dritte Bosporus-Brücke, , , Sivas-Massaker, Yunus Emre


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