Identität Humanismus
Veröffentlicht am August 19th, 2012 | von Cahit Kaya
0Anfänglich dachte ich, ich sei türkischer Moslem. Später wurde mir klar, eigentlich besteht meine Verwandtschaft mehrheitlich aus Aleviten, die ständiger Assimilation sowohl von Seiten des sunnitischen Islam, als auch der dahinter steckenden Macht, dem autoritären türkischen Staat, ausgesetzt waren. So dachte ich dann, ich sei eigentlich Alevite. Später wurde mir klar, der türkische Staat zwingt nach wie vor jede ehtnische Minderheit zum Türkentum, aber eigentlich besteht die Mehrheit meiner Verwandten aus ethnischen Kurden. So war ich Kurde. Bis ich merkte, ich habe kaum Zeit in der Türkei verbracht, lebte weder rein unter Türken, noch alleine unter Kurden, denn ich wurde in Vorarlberg sozialisiert. Somit wurde ich Vorarlberger. Aber ich merkte auch, eigentlich bin ich gar nicht religiös, glaube noch nicht einmal an einen von Religion erschaffenen Gott. So war ich Atheist. Bis ich merkte, alleine Atheist zu sein ist mir zu wenig. So war ich Humanist. Nun lebe ich aber schon seit vier Jahren in Wien. Bin ich nun Wiener?
Einfach war mein bisheriger Weg nicht. Aber umso erkenntnisreicher. Was ich aus all den Wirren des Lebens lernen konnte war die Bedeutung der eigentlichen Identität. Die Identität steter Weiterenwicklung. Dass Menschen sich immer weiter entwickeln, weil sie es müssen. So habe ich in meinem Leben besonders eines gelernt. Man kann niemanden auf Dauer zwingen etwas sein zu müssen, was sie nicht sein können.
Jeder Mensch muss seinen Weg gehen, bis er am Ziel ankommt. Und wenn das Ziel lautet, dass es eigentlich kein endgültiges Ziel gibt. Denn die Welt wandelt sich laufend. Wir wandeln uns mit ihr. Um die freie Entwicklung des Menschen zu ermöglichen ist es aber immer das humanistische Gesellschaftsmodell, das diese Freiheit zur Entwicklung bietet. Denn nur der Humanismus als Leitkultur öffnet die Tür aus einer vorübergehenden Identität heraus und ermöglicht das entdecken neuer Ansichten. Wo auch immer man sich im Leben gerade befindet, ohne den Humanismus führt kein Weg heraus, wenn man sich darin nicht wohl fühlt. Denn nichts anderes als die Erkenntnis, dass wir alle verschieden sind und das einfach ok ist, macht den Humanismus aus.
So sind es auch immer anti-humanistische Gruppe die es erschweren, dass Menschen dazu stehen, sich irren zu können. Sie zwingen Menschen in ein System und lassen sie nicht mehr heraus. So sind Nationalisten, religiöse Eiferer und Fanatiker immer auch Anti-Humanisten. So ist der Anti-Humanist das Übel unserer Zeit. Wer nicht auch den kleinsten Funken Humanismus in sich trägt, hat nie die Chance wirklich zu dem zu werden, was er eigentlich immer schon war, es aber bisher nicht wissen konnte, da die Erfahrung und die Erkenntnis fehlte. Identität ist immer individuell und muss individuell erfahren werden. Und wer sich und anderen den Humanismus nicht ermöglicht, der stiehlt uns ein großes Stück unseres Lebens. Und so ging es auch mir. Der Anti-Humanismus stahl mir viele Jahre meines Lebens.