Happy Birthday, Mr. Humanist!
Veröffentlicht am Juni 22nd, 2012 | von David Becker
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„Die niedrigsten sozialen Gruppen…, vermutlich mit weniger gutem Erbgut ausgestattet…, dürfen nicht zuleichten Zugang zu Sozialhilfe oder Krankenhausbehandlung haben, denn dies würde die natürliche Selektion vollends ausschalten und die Produktion und das Überleben von Kindern zu leicht machen. Dauerarbeitslosigkeit sollte ein Grund für Sterilisation sein, oder zumindest sollte fortgesetzte Hilfe davon abhängig gemacht werden, dass keine weiteren Kinder in die Welt gesetzt werden.“
Sind dies die Worte eines Humanisten?
Aus heutiger Sicht würde diese Frage wohl kaum ein Mensch mit „ja“ beantworten. Im Gegenteil: Die gängigsten Bezeichnungen für Personen mit solchen Einstellungen sind „Rassist“, „Sozialdarwinist“, zumindest irgend etwas mit Nazi-Konnotation, selbst bei weniger deutlicher Wortwahl. Und doch stammt dieses Zitat aus dem Mund eines der größten humanistischen Denker des 20.Jahrhunderts.
Sir Julian Huxley, Urenkel der „darwinschen Bulldogge“ Thomas Henry Huxley und Bruder von Aldous Huxley, dem Autor von „Brave New World“, feiert heute seinen 125. Geburtstag. Höchste Zeit also, diesen zwiespältigen Mann einmal näher unter die Lupe zu nehmen.
Das Eingangs aufgeführte Zitat ist einer Vorlesung über Sir Francis Galton entlehnt, welche Huxley 1936 vor der „Eugenic Society“ hielt, deren Vorstandsmitglied er auch lange Zeit war. Tatsächlich war er ein glühender Anhänger der Eugenik-Bewegung und bei Leibe nicht der einzige in seiner Zeit. Seit Sir Francis Galton den Begriff der „Eugenik“ schuf, um damit seine Forderung nach einem menschengemachten und humaneren Ersatz für die natürliche Selektion, welche durch den steigenden industriellen Wohlstand und soziale Absicherungen in ihrer bisherigen Funktion ausgehebelt worden war, zu unterstreichen, hatte die Bewegung regen Zulauf gefunden. Dieser Zulauf war ideologieübergreifend, reichte von Marxisten und Sozialisten über Liberale bis hin zu konservativen und völkischen Kreisen.
Eugenik ist also mitnichten ein Produkt der Nationalsozialisten, welche lediglich ihre Methodiken aufgriffen um damit ihre naturwissenschaftlich unsinnigen Rassenideologie in die Praxis umzusetzen. Dennoch hatte Hitlers Gefolgschaft ganze Arbeit damit geleistet, der Eugenik einen Image-Schaden zuzufügen, den sie bis heute nicht wieder los wurde.
Offensichtlich bemerkte dies auch Huxley selber.
„Obwohl es absolut wahr ist dass jedwede radikale Eugenik-Politik für viele Jahre politisch und psychologisch unmöglich sein wird, wird es wichtig sein für die UNESCO, dafür zu sorgen dass das Eugenik-Problem mit der größten Behutsamkeit untersucht wird und dass die Öffentlichkeit über die Probleme informiert wird damit das was jetzt noch undenkbar ist, zumindest wieder denkbar wird.“
Als Huxley dies sprach, war er bereits Generaldirektor der UNESCO. Seine Worte deuten nicht auf eine vollkommene Kehrtwende in seinem Denken hin. Vielmehr schien er es, im Angesicht Mio. von Toten nach dem Zweiten Weltkrieg, für nicht mehr ganz so en vogue gehalten zu haben, undifferenziert an das Thema heran zu gehen, gleichzeitig war er aber auch nicht gewillt, vollkommen davon abzulassen.
Daher herrscht auch bis heute die, in Verschwörungstheoretiker-Kreisen weit verbreitete, Annahme vor, Huxley habe seine Eugenik in die freundlicher klingende Form des Transhumanismus umgewandelt, um sie so über die Verarbeitung der Kriegsgeschehnisse zu retten.
Aber genug an dieser Stelle zur Eugenik. Auch Huxley war nur ein Kind seiner Zeit und ich würde wetten, in einigen Jahrzehnten werden zukünftige Humanisten auch auf die heutigen Humanisten zurück schauen und sagen: „Wie anti-humanistisch sie doch teilweise waren.“
Was prädestiniert Julian Huxley nun aber überhaupt zum Humanisten?
„Der evolutionär denkende Mensch kann nicht mehr Schutz vor der Einsamkeit suchen, indem er sich in die Arme einer zum Gott erhobenen – von ihm selbst geschaffenen – Vatergestalt flüchtet; nichts entbindet ihn von der mühevollen Aufgabe, sich den Problemen der Gegenwart zu stellen. Wir müssen aufgeben, uns in intellektueller wie ethischer Hinsicht wie Austern zu verhalten, wir dürfen unseren Kopf nicht mehr in gewollter Blindheit in den Sand stecken.“
Dieser Gedanke liegt dem Evolutionären Humanismus als Basis vor. Kein Festhalten an Dogmen, keine ständigen Fluchten auf die metaphysische Ebene, keine Konstruktion von Moralvorstellungen für die moderne Zeit aus traditionellen und überholten Lebensweisen. Man könnte es fast wörtlich nehmen und sagen: Der Evolutionäre Humanismus überträgt die Prinzipien der Evolutionslehre auf den Umgang mit Erkenntnissen. Eine Selektion in belegtes und unbelegtes Wissen, eine Differenzierung der Erkenntnisse in Form eines weiteren Erforschens, das Prinzip der Wissenschaftlichen Eleganz als Zentralisierung und damit eine Steigerung der relativen Umweltunabhängigkeit durch neue Technologien, die das Leben angenehmer machen.
Auch sollte man Huxleys praktisches Wirken nicht übersehen. Dies bestand nicht nur aus einer permanenten Verteidigung und Unterstützung der Evolutionslehre und damit des Fundamentes aller moderner humanistischer Strömungen, sondern auch sein Mitwirken bei der Gründung vieler internationaler Organisationen, wie der UNESCO, dem WWF und der IHEU, ohne die die Etablierung der Menschenrechte auf der Welt kaum möglich gewesen wären.
Jeder Mensch braucht Vorbilder. Personen, an deren Erfahrungen und Taten er sich orientieren kann und anhand derer er reift. Daran ist nichts verwerfliches, sonder es gehört zur natürlichen Sozialisation. Der bessere Umgang mit Vorbildern ist aber nicht ein blindes Nachahmen der Stärken des Idols, sondern auch das Lernen anhand dessen Fehlern.
Sir Julian Huxley eignet sich als humanistisches Vorbild, solange man ihn so kritisch betrachtet wie es der Evolutionäre Humanismus von einem Menschen fordert und so, wie er es sicher auch selbst gefordert hat.
In diesem Sinne: