20 Jahre Sivas-Massaker: wie 20.000 Islamisten ungehindert Aleviten ermorden konnten
Veröffentlicht am Juli 2nd, 2013 | von Humanist News
2.7.2013, Wien/Sivas. (HN) Heute vor 20 Jahren, am 2. Juli 1993 ereignete sich in der Türkei eine unvorstellbare Jagd auf Aleviten, die zum Tod von 35 Menschen führte und das Bewusstsein der Aleviten bis heute mitprägen sollte. An dieser Menschenjagd waren geschätzte 20.000 Islamisten beteiligt, die später Brandsätze gegen das Hotel warfen und sowohl das Militär als auch die herannahende Feuerwehr daran hinderten, den im Hotel eingeschlossenen Menschen zu helfen.
Die Vorgeschichte
Während eines alevitischen Kulturfestes zu Ehren des türkischen Dichters Pir Sultan Abdal im Madımak-Hotel, in der türkischen Stadt Sivas, fanden sich zahlreiche alevitische Künstler, wie Schriftsteller und Musiker ein, um das Fest gemeinsam zu begehen.
Einer der Auslöser für die islamistischen Angriffe war die Teilnahme des berühmten Satirikers und Atheisten Aziz Nesin, der zuvor Salman Rushdies „Satanische Verse“ ins türkische übersetzt hatte, was bei konservativen Sunniten scharfe Proteste, bis hin zu Mordaufrufen führte. Auch sagte Aziz Nesin aus lauter Frust über die mangelnde Demokratie in der Türkei in einem Interview, dass er viele Türken für zu dumm und zu feige für die Demokratie hielte.
Vom Freitagsgebet direkt zur Jagd auf Aleviten
Der islamistische Mob von etwa 20.000 Personen fand sich am 2. Juli 1993 direkt nach dem Freitagsgebet vor dem Hotel ein, nachdem sie dazu angestachelt wurden. Schnell war das Hotel von allein Seiten umstellt und Sprechchöre riefen Hassbotschaften gegen die Menschen im Hotel aus.
Keine Hilfe vom Staat
Obwohl der Bürgermeister von Sivas die Geschehnisse weiterleitete und Unterstützung vom Militär anforderte, passierte vorerst nichts. Später tauchten gerade 33 Soldaten auf, versuchten zum Hotel vorzurücken, gaben nach zahlreichen Behinderungen des Mobs aber schnell wieder auf.
Das selbe geschah später mit dem Feuerwehrwagen, der kam, nachdem einige Islamisten Brandsätze gegen das Hotel warfen und das Hotel in Flammen stand. Auch die Feuerwehr kam nicht durch die Menschenmassen und zog sich wieder zurück. Erst nach mehreren Versuchen gelangte die Feuerwehr an das Hotel und versuchte über eine Leiter die Menschen aus den Fenstern des Hotels zu retten. Doch da waren bereits viele gestorben.
Live-Übertragung im Fernsehen
Der Brandanschlag wurde live im türkischen Fernsehen übertragen und gilt als Zeitzeuge über die Geschehnisse. Die ganze Nation konnte mitansehen, wie 20.000 Islamisten den Staat daran hindern konnten den eingekesselten Aleviten zur Hilfe zu kommen und so den Mord an 35 von ihnen zuzulassen. Aziz Nesin, welcher selbst über die Leiter des Feuerwehrwagens entkam, wurde beim heruntersteigen von einigen Islamisten erkannt und angegriffen. Er konnte jedoch mit wenigen Verletzungen entkommen.
Doku über das Sivas-Massaker von 1993
Das türkische Fernsehen strahlte Jahre später eine Doku der damaligen Ereigniss aus und zeigt die Szenen, die für viele Aleviten tödlich enden sollten. Auch kommen Politiker zu Wort, die damals unmittelbar in die Ereignisse involviert waren und schildern, warum der Staat nicht eingegriffen hatte. Die Doku ist in türkischer Sprache gehalten, es stehen aber Untertitel auf Deutsch und Englisch zu Verfügung. Aber bereits die Bilder alleine lassen erahnen, was damals geschehen ist, um die Lage der Aleviten in der Türkei abschätzen zu können.